Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance
Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance

Redebeitrag zum 8. Mai von ver.di Bezirk Mittleres Ruhrgebiet

Bernd Dreisbusch, Geschäftsführer ver.di Mittleres Ruhrgebiet

Am 8. Mai 1945 waren zwölf Jahre Nacht vorbei. Der Tag der Befreiung, der Tag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs durch die Alliierten, ist ein Grund zum Feiern.
Zugleich ist er ein Tag des Danks an die Siegermächte: an die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion, die zahlreiche Tote zu beklagen hatten, die aber trotz aller Verluste an Menschenleben weiter dafür kämpften, den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland ein Ende zu bereiten, Deutschland und Europa von der Nazi-Barbarei zu befreien.
Der 8. Mai markiert den Tag, an dem unsägliches Leid beendet wurde, das die Deutschen über die Menschen im eigenen Land und über die Menschen in den von der Wehrmacht überfallenen Ländern gebracht hatten. Sechs Millionen Juden wurden in der Shoah in industriellem Maßstab ermordet, vom Kind bis zum Greis.
Juden, Gewerkschafter und Kommunisten, Homosexuelle und Sozialdemokraten sind der Diktatur zum Opfer gefallen.
Erlaubt mir, als Gewerkschafter und Sozialdemokrat, stellvertretend über Fritz Husemann zu sprechen.
1922 rückte Fritz Husemann zur dominierenden Führungspersönlichkeit im Alten Verband auf. Seit 1902 Gewerkschaftssekretär wurde Husemann schon 1911 zum Zweiten Vorsitzenden gewählt, und er nahm schließlich von 1920 bis 1933 das Amt des Ersten Vorsitzenden wahr.

Als sozialdemokratischer Parlamentarier, zunächst im preußischen Landtag und dann im Reichstag stritt Husemann für die Interessen der Bergleute.1933 musste Husemann bitter erleben, dass die Nazis sein Lebenswerk zerstörten. Nach einer ersten Verwüstung und Besetzung des Verwaltungsgebäudes in Bochum durch Nazi-Horden im März 1933 wurde der Alte Verband am 2. Mai zerschlagen. Husemann und viele andere Funktionäre kamen in Haft, und die Gewerkschaftsvermögen wurden geraubt.

Nach der Haftentlassung enthielt sich der in Bochum ansässige Husemann jeglicher politischer Betätigung, die nur zur erneuten Verhaftung geführt hätte, und er kümmerte sich vor allem um einzelne Verbandsangestellte, die durch die Zerschlagung der Gewerkschaften in Not geraten waren. Ohne erfindlichen äußeren Grund wurde Husemann 1935 wieder verhaftet und schließlich im April 1935 ins KZ Esterwegen eingesperrt.

Von Gewehrschüssen der Wachmannschaft schwer verletzt verstarb er am 15. April 1935. Fritz Husemann wurde von den Nazis ermordet, weil er wie kaum ein anderer die besten Traditionen der freiheitlich-demokratischen Bergarbeiterbewegung verkörperte und große Popularität bei den Bergleuten besaß.

75 Jahre sind seitdem vergangen – 75 Jahre, in denen die freien Gewerkschaften und ihr Bund wiederaufgebaut und gestärkt werden konnten. 75 Jahre, in denen Demokratie gelernt werden konnte, wenn auch mit vielen Defiziten. Der 8. Mai ist für uns als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter eine Verpflichtung, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass immer wieder Versuche einer Umwidmung stattfinden.
Wenn nun AfD-Politiker meinen: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte“ (Alexander Gauland) oder das „Denkmal der Schande“ ansprechen und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ (Björn Höcke) fordern, sind wir gefragt, dagegen aufzustehen und diese Umdeutungen nicht zuzulassen.
Nach den Verbrechen der Deutschen in der Zeit des Nationalsozialismus sind wir alle in der Verantwortung, das Geschehene nicht zu verdrängen, zu vergessen, zu relativieren. Ganz konkret würde ich mir etwa wünschen, dem wiederaufkeimenden Antisemitismus mit aller Macht entgegenzutreten, und zwar nicht nur dem der Neonazis, sondern jedem Antisemitismus aus allen Richtungen und mit allen Motiven.
***Pause***
Gestern war es kalt und regnerisch, aber heute ist Frühling. Ein ganz besonderer Frühling, nicht irgendein Frühling, sondern der Frühling, in dem der Frieden kam. Himmel, wie herrlich,
hat die Schriftstellerin Astrid Lindgren am 8. Mai 1945 in ihr Tagebuch notiert.

Wir feiern das Ende nationalsozialistischer Schreckensherrschaft, das Ende des unsäglichen Leids.