Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance
Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance

8. Mai: Tag der Befreiung

Gedenkrundgang auf dem Friedhof am Freigrafengang
Bericht und Dokumentation der Redebeiträge

Mit Rücksicht auf die Shabbat-Gebräuche der jüdischen Bürger*innen fand der traditionell Gedenkrundgang zum Tag der Befreiung bereits am Donnerstag statt. Mehr als 100 Teilnehmer*innen waren der Einladung von Bündnis gegen Rechts und Kinder- und Jugendring zum Besuch des Fiedhofs am Freigrafendamm gefolgt. Uli Borchers, Sprecher des Bündnis gegen Rechts unterstrich in seiner Begrüßung, dass der 8. Mai 1945 tatsächlich ein Tag der Befreiung für die Insassen der Konzentrationslager, für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen war. Ein Tag der Befreiung auch für diejenigen, die in der Illegalität leben mussten: versteckte und „untergetauchte“ Jüdinnen und Juden, Frauen und Männer aus dem politischen Widerstand, oder diejenigen, die aus anderen Gründen der Verfolgung durch die NS-Diktatur ausgesetzt waren.

Der 8. Mai war auch ein Tag der Befreiung für alle die Menschen in Europa, die im 2. Weltkrieg unter den Verbrechen von Wehrmacht und SS zu leiden hatten. Millionen haben diesen Tag allerdings nicht mehr erlebt. Sie wurden in den Vernichtungslagern vergast, von Einsatzgruppen ermordet, starben unter den Bedingungen der Zwangsarbeit oder wurden von SA, SS und Gestapo getötet.

Uli Borchers (Foto): „An diese Frauen und Männer zu erinnern, das ist der immer wiederkehrende Grund für unseren Rundgang an diesem Tag. Heute machen wir antirassistische Arbeit in vielfältiger Form. Aktuelles Beispiel ist die Kampagne „Bundestag – Nazifrei“, die heute gestartet wird.

Erste Station des Rundgangs war das Grabfeld der sowjetischen Kriegsgefangenen. Felix Lipski, Holocaustüberlebender und Sprecher des Klub STERN der Jüdischen Gemeinde Bochum überließ es seiner Enkelin Magarita Gosmann seine Rede vorzutragen. Er erinnerte an den millionenfachen Tod der Gefangenen und berichtete über die bisher wenig bekannten Widerstandsaktivitäten bei der Zwangsarbeit in Industriebetrieben. Er beschrieb Aufstände und Fluchtversuche aus den Lagern. Die Rede im Wortlaut.

Am Grabfeld der Zwangsarbeiter*innen berichteten Angelina Lachenicht und Julia-Maria Kirstein von der „Kohlengräber-Geschichtswerkstatt“ aus Gerthe über die Ergebnisse ihrer Recherchen. Sie haben aus Todesurkunden zahlreiche biographische Informationen von Zwangsarbeiter*innen zusammengetragen. Sie kritisierten, dass der Zustand der Gräber auf dem Friedhof seit Jahren abschreckend und ungepflegt ist und die Stadt ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Die Rede im Wortlaut.

Am Ehrenrundplatz erinnerte Reinhard Junge als Vertreter der VVN-BdA daran, dass am 21. Juni der 80. Jahrestag des Überfall auf die Sowjetunion durch Nazi-Deutschland ist. Er kritisierte, dass die Bundesregierung sich weigert, an diesem Tag in irgendeiner Form angemessen daran zu gedenken, unter welchen Opfern die Sowjetunion entscheidend daran beteiligt war, Deutschland und Europa vom Faschismus zu befreien. Die Rede im Wortlaut.

Die Historikerin Irmtrud Wojak, die das Fritz-Bauer-Forum initiiert hat, das zur Zeit in der ehemaligen Trauerhalle auf der Ostseite des Friedhofes entsteht, würdigte die Rolle von Fritz Bauer bei der juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Sie betonte ausdrücklich, dass mit dem 8. Mai zwar die militärische Niederlage des NS-Regimes besiegelt war, danach aber die konsequente Aufarbeitung der NS-Verbrechen hätte beginnen müssen. Stattdessen wird es überwiegend als „Erfolg“ bewertet, Tausende von NS-Tätern in Justiz, Polizei, Militär und Verwaltung „geschmeidig“ integriert zu haben. Die Rede im Wortlaut.

Die Bochumer DGB-Vorsitzende Bettina Gantenberg stellte zum Abschluss der Veranstaltung die Ziele der Kampagne „Bundestag nazifrei – Keine Stimme für AFD und andere Rassisten“ vor, die eine Fortsetzung der erfolgreichen Kampagne zur Kommunalwahl darstellt. Bei der Wahl für den Bochumer Rat hatte die AfD im vergangenen Jahr nur noch etwas mehr als ein Drittel der Stimmen erhalten, die sie zur Bundestagswahl erzielt hatte. Die Kampagne soll ein unmissverständliches Zeichen gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Diskriminierungen aller Art setzen und möglichst Viele motivieren, selber aktiv zu werden. Die Rede im Wortlaut.

Jugendring und Bündnis gegen Rechts haben das traditionelle Gedenken zum Tag der Befreiung lebendig und interessant gestaltet. Mit dem gleichzeitigen Start der Kampagne „Bundestag nazifrei“ in Kooperation mit den Gewerkschaften gelang es, Rückblick und Ausblick zu verbinden.