Im Lager Bergener Straße lebten die Zwangsarbeiter der zur Krupp AG gehörenden Zeche Vereinigte Constantin der Große, der größten Steinkohlenzeche im Ruhrgebiet am Ende des Zweiten Weltkriegs.
Das Lager wurde in der NS-Zeit errichtet und ist ein authentischer Ort der Zwangsarbeit in Bochum und Wattenscheid. Es besteht aus dem ehemaligen Kommandanturgebäude, das an den früheren Appellplatz im Eingangsbereich angrenzt sowie acht eingeschossigen Baracken aus Stein mit Satteldach. Es befindet sich an der Bergener Straße 116 a-i in Bochum-Bergen. Noch heute ist es zum Teil bewohnt.
Wann wurde das Lager erbaut?
Im April 1943 wurden erste Baracken „für das Lager Bergen (Ausländer von Schacht 10) … angeliefert“.¹ Trotz massiver Bauweise wurden am 13.06.1943 vier Baracken durch Fliegerangriff zerstört.² Für den Bau der Lager waren die Zechen, für Constantin Baumeister Raulff, verantwortlich. Bedingt durch Materialmangel und den schlechten Gesundheitszustand der am Aufbau beteiligten Zwangsarbeiter, erfolgte die Fertigstellung erst im Juli 1944.³
Warum wurde das Lager gebaut?
Die Zeche Constantin verfügte über Zwangsarbeitslager u.a. im Zillertal (für russische Kriegsgefangene), in Hiltrop (für italienische Militärinternierte), in Herne Lager Mont-Cénis und Ostbachtal. Nach der Anordnung des Arbeitseinsatzes ausländischer Arbeitskräfte durch Fritz Sauckel, Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz 1942-45, verschärfte sich die Zwangsrekrutierung in den besetzten Ostgebieten, Polen und der Sowjetunion. So erhöhte sich im Ruhrbergbau die Zahl der „Ostarbeiter“ von 4.000 im September 1942 auf über 30.000 und ca. 90.000 sowjetische Kriegsgefangene im September 1944 sprunghaft.⁴ Ausländische Zwangsarbeiter stellten 1945 ca. 40 % der Gesamtbelegschaft auf Constantin! Die nur provisorische Unterbringung der zivilen Zwangsarbeiter aus dem Osten im Ausflugslokal Kaiseraue in Bochum-Grumme oder im Lager Schacht 10 am Wiekskamp, machte den Lagerbau erforderlich, da die Personengruppen je nach Herkunft getrennt unterzubringen waren. Das Lager Bergener Straße war Anfang Juli 1944 mit 530 Mann belegt und konnte insgesamt 680 Personen aufnehmen.⁵ Umgeben von Feldern lag es zentral und fußläufig zu den aktiven Schachtanlagen 4/5, sowie 6/7 und 10, die durch eine Werksbahn verbunden waren, die heutige Fahrradtrasse.
Welche Menschen haben im Lager zur Zeit des Nationalsozialismus gelebt?
Aufgrund erster Recherchen in den unvollständig überlieferten Zu- und Abgangslisten der Zeche Constantin konnten bereits ca. 200 meist junge Männer aus Osteuropa v.a. der Ukraine identifiziert werden, die ab Ende 1941 zunächst dem Lager 10 oder der Kaiseraue, ab 1943 dem Lager Bergen zuzuordnen sind. Gestützt werden diese Funde durch Berichte ehemaliger Zwangs- arbeiter aus dem Donezk-Gebiet, Ukraine, die aufgrund der Städtepartnerschaft ab 1992 durch die Gesellschaft-Bochum-Donezk e.V. und später durch die Stadt Bochum zu Besuch nach Bochum kamen. Durch ihre Briefe⁶ können wir auf ihre Erfahrungen in Bochumer Betrieben u.a. auch auf Zeche Constantin zurückgreifen. Auf einen ehemaligen Lagerbewohner, Nikolaj Storoschenko, sei besonders hingewiesen, da er als Minderjähriger nach Bochum verschleppt wurde und sein Vater aufgrund der harten Arbeit und der unzureichenden Ernährung auf Constantin starb.
Offene Fragen:
– Wie haben die Menschen hier gelebt?
– Welchen Arbeitsbedingungen waren sie ausgesetzt und wer war dafür verantwortlich?
– Wer hat sie bewacht, gedemütigt, bestraft?
– Wer hat ihnen geholfen oder sie unterstützt?
– Was ist aus ihnen nach der Befreiung vom Faschismus geworden?
Quellen:
Archiv Deutsches Bergbau-Museum, Signatur: montan.dok:
1 BBA 20 /2883,
2 BBA 20/2884,
3,5 BBA 20/2885;
4 Seidel, C. 2019, S.14;
6 Jachnow, W., 2002
Literatur/Medien: www.bochumgegenrechts.de u.a. Audiodateien und interaktive Karte der Lager in Bochum Jachnow, Waltraud u.a. (Hrsg.), … und die Erinnerung tragen wir im Herzen, Briefe ehemaliger Zwangsarbeiter (Bochum 1942-45), Bochum 2002
Seidel, Christoph, Kein „Melting Pot(t)“ – Zwangsarbeit im Ruhrgebiet in den beiden Weltkriegen, in: Forum Geschichtskultur Ruhr, Essen 2019, S.11-16