Selbstverständnis der Initiative Gedenkort Bochum-Bergen

  • Unsere Initiative ist überparteilich und Mitglied im Bochumer Bündnis gegen Rechts.
  • Unser Anliegen ist es, im ehemaligen Zwangsarbeiter-Lager an der Bergener Straße einen würdigen Gedenk-, Erinnerungs- und Lernort zu den NS-Verbrechen am Beispiel der Zwangsarbeit in Bochum zu schaffen und ein
    Zeichen gegen menschenverachtenden Rassismus zu setzen.
  • Wir mischen uns aktiv in die Lokalpolitik ein und fordern Transparenz und Beteiligung der Zivilgesellschaft.
  • Wir bieten Führungen für Interessierte zum Thema Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg an und arbeiten mit Jugendgruppen und Schulen zusammen.
  • Wir recherchieren, um lange Zeit Verborgenes und Verdrängtes aufzudecken und machen Öffentlichkeitsarbeit.

Näheres zum Lager Bergener Straße

Aktuelles

20.000 zwangsdeportierte Italiener für den Ruhrbergbau

Seit Herbst 1943 versiegte aufgrund des Vorrückens der Roten Armee der Arbeitkräfte-Nachschub aus Osteuropa.

Nach dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten (8.9.1943) zerbrach die faschistische Achse Berlin-Rom.

Die deutsche Besetzung Nord- und Mittelitaliens hatte brutale Massaker an der Zivilbevölkerung zur Folge. Unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung wurden bei sog. „Durchkämmaktionen“ in ländlichen Bergregionen gewaltsam junge, Männer für die Zwangsarbeit u.a. im Ruhrgebiet rekrutiert.

Neben den sowjetischen Arbeitskräften waren seit Ende 1943 vor allem die Italienischen Militärinternierten einer menschenunwürdigen Behandlung unterworfen.“ (Ulrich Herbert nach H. Menne/ M. Farrenkopf, Bochum 2004, S. 18)

20.000 „militärinterierte Italiener“ (IMIs) – allein 1.250 für die Zeche Constantin !

Am 2. Februar 1945 kamen um 23 Uhr zwanzig italienische Zwangsarbeiter und 1 „Russe“durch „feindseligen Luftangriff“ im Lager Bergenerstr 116 a-i in Bochum, ums Leben. Ihr Tod wurde vom Lagerführer Karl Pyter, Herne, angezeigt. Sie wurden auf dem Hauptfriedhof in Bochum beigesetzt. (Quelle: Sterbebuch – Standesamt Bochum Gerthe, 1945 Band I, Stadtarchiv Bochum).

Seit wann waren sie dort untergebracht? Was kann man über ihre Geschichte in Erfahrung bringen? Warum wurden vor allem sie tödlich getroffen?

(Quelle: Auszug der Direktorenbesprechung Hauptverwaltung des Kohlenbergbaus vom 12.10 1943, montan.dok BBA 20/2884)

Die Gewerkschaft Ver. Constantin der Große vermerkt im Juli 1944, dass zusätzlich zu den 737 Italienern 100 IMIs neu angelegt werden. Zusammen mit den 620 (westlichen) ausländischen Arbeitskräften, 529 zivilen Ostarbeitern und 1.713 russischen Kriegsgefangenen betrug der gesamte Ausländerstand zu dem Zeitpunkt 3.599 (montan.dok BBA 20/2885); bei einer Gesamtbelegschaft von ca. 9.000 Beschäftigten (1945: 8.905, montan.dok BBA 20/2880). Im Juli 1944 berichtete Baumeister Raulff, Zeche Constantin, dass Restarbeiten für das Barackenlager der Militärinternierten Italiener (IMI) in Hiltrop vor der Fertigstellung stünden. In den Mannschaftsbaracken aus Holz wären 670 Personen untergebracht, nach Fertigstellung könnten sie mit bis zu 1.080 IMIs belegt werden. (BBA 20/2885). Auf den Schächten 4/5 der Gewerkschaft Ver. Constantin d. Große, auf der Grenze zwischen Bochum-Bergen und Hernegelegen, werden ab Oktober 1943 über 700 „kriegsgefangene Italiener“ angelegt, die z.T. bisApril 1945 dort geführt werden (ITS 27-52, Kriegsgefangene Italiener, Arolsen Archives).

Laut Hans-Christoph Seidel, Institut für soziale Bewegungen (Bochum), begann der Einsatz der Italienischen Militärinternierten im Oktober 1943 mit 2.038 im Ruhrbergbau und steigerte sich auf ca. 11.918 im Juli 1944. Mit 3,1% der Belegschaften blieb ihr Anteil aber im Vergleich zu der größten Gruppe der russischen Kriegsgefangenen (ca. 20%) vergleichsweise gering. (H.-C. Seidel, Der Ruhrbergbau im Zweiten Weltkrieg, S. 391 f.)

Deutsche Besetzung Italiens, Kriegsverbrechen und Zwangsrekrutierung

Die Historikerin Nadja Bennewitz berichtet in „Rom, offene Stadt“ über die Besetzung Roms durch deutsche Truppen im September 1943 sowie den Partisanenkampf und das Massaker in den Fosse Ardeatine als grausame Vergeltungsaktion und Auftakt massiver Kriegsverbrechen in Norditalien – auch im Zuge von Zwangsrekrutierungen von italienischen Zwangsarbeitern, den sog. „Italienischen Militärinternierten“ (IMI).

https://resistenza.de/rom-offene-stadt/#more-846

Foto: Symbol des Partisanenkampfes in Arcevia, Provinz Ancona, Marken, S. Wycisk

Neue öffentliche Führung in Bochum-Bergen am 23.9.2023

…es sei jetzt an der Zeit, gegen besonders krasse Fälle der Bummelei einmal ganz streng ggf. mit Gefängnisstrafen vorzugehen.“ (Bergwerkdirektor Heidemann, Zeche Constantin, August 1943)

Termin: Samstag, der 23. September 2023 um 14 Uhr
Dauer: ca. 1,5 Stunden
Ort: Bergener Str. 116c, Gedenktafel
Anmeldung:
E-mail: stadtarchiv@bochum.de
Telefon: 0234 910-9510

Foto: S. Wycisk, Hochbunker, Zechenstr.

Anhand von anschaulichen Dokumenten werden die Geschichte des Lagers, die Herkunft und das Leben der hier untergebrachten Zwangsarbeiter sowie deren besonders harten Arbeits- und Lebensbedingungen auf der Krupp-Zeche Constantin der Große erfahrbar. Die Teilnehmenden bekommen einen Einblick in das verbrecherische System der Zwangsarbeit während der Zeit des Nazismus, das von Menschenraub, Ausbeutung und rassistischer Unterdrückung geprägt war.

ÖPNV: ab Hbf Bochum Bus 353 Richtung Castrop-Rauxel bis Im Hagenacker, dann 10 Min zu Fuß
oder mit Bus 367 Richtung Herne bis Bergener Str.

Bitte beachten – Toiletten sind auf dem Gelände leider nicht vorhanden!

GEW-Workshop – Erinnern mit Schüler:innen in der Kofabrik

Nach einem Impulsreferat von Christoph Hövel vom Projekt „Kopf einschalten“ zum Umgang mit Verschwörungstheorien, konnten sich die Teilnehmenden am 8.9.2023 in der Kofabrik zwei verschiedenen Workshops widmen: Eine Einführung in die Deeper Learning Pädagogik mit Elena Kroik am Beispiel von Beate und Serge Klarsfeld sowie die Bearbeitung multiperspektivischer Quellen zur Zwangsarbeit auf der Zeche Constantin. Was spricht Jugendliche heute an? Welche Materialien eignen sich für die historisch-politische Bildung? Diesen Fragen stellten sich Lehrer*innen und Multipliaktor*innen im Workshop zum Neuen Gedenkort Bochum-Bergen. Fünf Briefe von ukrainischen Zwangsarbeiter*innen dienten als biographischer Einstieg. Ihre erschütternden persönlichen Erlebnisse und Gewalterfahrungen konnten im zweiten Schritt mithilfe zahlreicher Dokumente zur Arbeits- und Lebenssituation eingeordnet und vertieft werden.

Vor 80 Jahren – Schlaglichter – eine Auswahl

Mit diesem neuen Format möchten wir die Sanierungsarbeiten am neuen Gedenkort Bochum-Bergen inhaltlich begleiten. Es werden im monatlichen Wechsel Dokumente zu verschiedenen Themen der Zwangsarbeit präsentiert, die einen ersten Eindruck über Stimmung, Maßnahmen und Folgen der harten Arbeits- und Lebensbedingungen im Ruhrbergbau insbesondere auf der Zeche Constantin zur Zeit des Nazismus geben sollen.

Welche Handlungsspielräume hatten die Zechen und welche Verantwortung trugen sie?