Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance
Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance

Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeiter-, Konzentrationslager und Gefängnisse während des Faschismus in Bochum

Der 8.Mai 1945 ist der Tag der Befreiung von Krieg und Faschismus. Zumindest in Europa war damit der 2.Weltkrieg beendet. 12 Jahre sind Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle, Widerstandskämpfer:innen und weitere Opfergruppen brutal von den Faschisten verfolgt worden.
Mehr als 6 Millionen europäische jüdische Menschen wurden ermordet. Über 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene wurden vernichtet.
Für Millionen von Zwangsarbeiter:innen aus den von der Wehrmacht überfallenen und eroberten europäischen Ländern war die gnadenlose Ausbeutung ihrer Arbeitskraft endlich beendet.
Alle, die diesen mörderischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg überlebt hatten, müssen froh gewesen sein, dass der Krieg zu Ende war.

Die Befreiung aller Menschen vom Faschismus war allerdings nicht die Befreiung von Faschisten. Für sie war der 8.Mai 1945 ein Tag der Niederlage.

Die NSDAP, die SS, die SA und andere Organisationen der NSDAP wurden verboten.
Geschichtlich war die Bundesrepublik Deutschland noch Jahrzehnte so „befangen“, dass es bis in 1980er Jahre dauerte, dass aus der „bedingungslosen Kapitulation“ der „Tag der Befreiung“ wurde.
In Bochum (befreit schon am 10.April 1945 nach dem Einmarsch der US-Armee), waren Tausende von Frauen und Männern tatsächlich frei: Sie waren nicht länger in Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeiter-, Konzentrationslagern und Gefängnissen inhaftiert.

Sie mussten keine Angst mehr haben, ermordet zu werden.
Bochum war zwischen 1933 und 1945 „Gauhauptstadt“ und ein Zentrum der Rüstungsindustrie.

Der „Bochumer Verein“ war „nationalsozialistischer Musterbetrieb“, eine Betitelung der NSDAP, die die besondere Bedeutung des Betriebes für die Rüstungsproduktion für den 2. Weltkrieges unterstreichen sollte.

Beim „Bochumer Verein“ und in zahlreichen anderen Bochumer Betrieben wurden nach Beginn des 2. Weltkriegs über 30.000 Menschen als Sklav:innen gefangen gehalten. Wir veröffentlichen auf unserer Webseite eine interaktive Karte mit mehr als 180 nachgewiesenen Lager.
Es wird wahrscheinlich unmöglich bleiben, darzustellen, wo Zwangsarbeiter:innen in Kleinbetrieben, auf Bauernhöfen oder anderen Kleinsteinrichtungen gefangen gehalten wurden.

Die Anzahl der Lager macht aber auf jeden Fall deutlich, dass alle Menschen in Bochum damals von der Existenz der Lager wissen mussten.

Die Karte mit den Standorten der Lager basiert wesentlich auf Recherchen des Bochumer Stadtarchivs. Die Quellen der Standortbestimmung waren bis auf wenige Ausnahmen:

  1. Liste von Zwangsarbeiterlagern des Ernährungs- und Wirtschaftsamtes der Stadt Bochum, Stand März/Oktober 1942
  2. Liste von Kriegsgefangenenlagern des Ernährungs- und Wirtschaftsamtes der Stadt Bochum, Stand März/Oktober 1942
  3. Bericht an den Bochumer NSDAP-Leiter Ernst Riemenschneider im Juli 1943
  4. Aufstellung aus dem Jahr 1949 von Lagern in Bochum vom Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution
  5. Weinmann, Martin (Hrsg.): „Das nationalsozialistische Lagersystem“

Kopien dieser Dokumente sind hinterlegt und können von den Standortangabe aus aufgerufen werden, wenn sie Quellen für die Existenz der jeweilige Lager darstellen.

Aus den hier gefundenen Angaben geht nicht immer eindeutig hervor, wo sich das jeweilige Lager befunden hat. Wenn z. B. nur der Firmensitz des Betreibers angegeben ist, muss dies nicht bedeuten, dass sich auch das Lager auf dem Firmengelände befunden hat. In aller Regel wurden die vom Stadtarchiv vorgenommenen lokalen Zuschreibungen übernommen. Einige wenige Abweichungen basieren auf Berichten von ehemaligen Zwangsarbeiter:innen, die im Zeitraum zwischen 1992 und 2001 Bochum besucht haben oder Briefe geschrieben haben.

Diese Dokumente sind 2002 von der Initiative „Entschädigung jetzt“ in dem Buch …und die Erinnerung tragen wir im Herzen veröffentlicht worden. Das Buch ist auf der Webseite des Bündnisses gegen Rechts vollständig im PDF-Format veröffentlicht. Dokumente, die sich auf ein Lager oder die betreibende Firma beziehen, werden bei den Standorten direkt verlinkt.

Über die Besuche der ehemaligen Zwangsarbeiter:innen gibt es eine Reihe von weiteren Berichten auch als Filme und Radiobeiträge, die ebenfalls auf der Webseite des Bündnisses gegen Rechts abrufbar sind. Zur Liste der Dokumente Zwangsarbeit in Bochum.

Es gibt zwei Ansichtsformate der Karte

Die interaktive Karte in Großansicht.
Die interaktive Karte mit einer Tabelle aller eingezeichneten Lager
Bei der Ansicht mit der Tabelle gibt es eine Suchfunktion, die es z. B. ermöglicht nach Firmen oder Straßen zu suchen.

Die Karte ist kein abgeschlossenes Projekt. Zu den einzelnen Lagern werden ständig weitere Dokumente hinterlegt und verlinkt.
Das ganze Projekt ist eine Einladung zu Mitmachen. Das Bochumer Bündnis gegen Rechts freut sich über Anregungen, Kritik und weitere Informationen und Dokumente.
Das Projekt hat keinen wissenschaftlichen Anspruch. Es stellt Quellen und Dokumente zur Verfügung, die z. T. sehr unterschiedliche Angaben über einzelne Lage machen. Das liegt in erster Linie daran, dass es Momentaufnahmen zu bestimmten Zeitpunkten sind. Lager können erweitert oder auch durch Bomben zerstört worden sein. Es können auch unterschiedliche Interessen dahinter stehen, wieso bestimmte Angaben gemacht wurden.

Es findet keine Bewertung der Quellenangaben statt. Alle Quellen sind online verfügbar und alle Leser:innen können sich selbst ein Bild darüber machen, welche Informationen über das Ausmaß brutalster Sklaverei im 20. Jahrhundert in Bochum vorliegen.