Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance
Eine Stadt solidarisch – Nazis keine Chance

Redebeitrag zum 8. Mai der Rosa Strippe e.V.

Marta Grabski von der Rosa Strippe

In Anlehnung an den Beitrag des Frauenverbandes Courage in Bochum möchte ich an eine sehr aktive, mutige und beeindruckende Bochumer Frau* erinnern, die, wie viele andere Frauen*, ihr Leben im Widerstand gegen die Nazis riskierte. Die Rede ist von Änne Kappius geb. Ebbers.
Bevor ich einen Einblick in ihr Leben gebe-möchte ich als Vertreterin der Rosa Strippe an dieser Stelle nicht nur an die mutigen Frauen* im Widerstand erinnern, sondern auch den Menschen gedenken, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität kriminalisiert, verfolgt, verhaftet und ermordet wurden.

Änne wurde im Jahr 1906 in eine sozialdemokratisch orientierte Familie geboren. Sie erlernte den Beruf der Kinderpflegerin. In der sozialistischen Arbeiterjugend, in der sie seit ihrem 13. Lebensjahr Mitglied war, lernte sie ihren späteren Mann Josef Kappius kennen. Mit ihm trat Sie gemeinsam in den Internationalen Sozialistischen Kampfbund ein (ISK).

In Bochum wohnen zu bleiben, wurde für sie und Josef bald zu unsicher – da beide zu bekannt geworden waren, um ungefährdet an antifaschistischen Aktionen teilnehmen zu können. 1935 gingen beide daher nach Berlin. Gemeinsam trafen sie die Absprache, keine Kinder zu bekommen, um weniger erpressbar zu sein.

Änne und ihr Mann haben Zusammenkünfte abgehalten, die der Unterrichtung über die politische und organisatorische Lage, der Verabredung von Aktionen nach Außen, der politischen Schulung und der Festigung der Organisation dienten. Ziele ihrer Arbeit waren die Wiederherstellung demokratischer Freiheiten in Staat und Gesellschaft. Sie haben Kurse und Treffen mit Freund_innen aus ganz Deutschland organisiert und durchgeführt. Ein großer Teil ihrer Tätigkeiten spielte sich dabei in ihren Wohnungen ab. Zuerst in Bochum, dann in Berlin.

Sie haben Freund_innen aufgenommen und beherbergt, die auf der Flucht vor der Gestapo waren, bis weitere Fluchtwege organisiert wurden. Sie haben immer wieder schwere Wochen besonderer Sorge durchlebt, wenn eine_r ihrer Freund_innen verhaftet worden war und sie damit rechnen mussten, dass die Gestapo sie zur Preisgabe von Namen zwingen würde.

Ab 1939 wurden Änne und Josef steckbrieflich wegen Hochverrates gesucht und flohen in unterschiedliche Länder. Änne in die Schweiz, Josef nach Frankreich.

Mit einem gefälschten Pass unternahm Änne zahlreiche Kurierreisen nach Deutschland. Auf jeder ihrer Reisen lebte sie in ständiger Gefahr entdeckt, verhaftet und getötet zu werden. Ab dem Zeitpunkt der regelmäßigen Grenzübertretung für ihre politische Arbeit trug sie eine Giftampulle unter der Haut ihrer Achselhöhle, um notfalls Selbstmord begehen zu können.

Nach dem Krieg kehrte sie ins Ruhrgebiet zurück und setzte ihre politische und antifaschistische Arbeit fort. Die Auszahlung der ihr bewilligten Entschädigung erlebte sie um einige Tage nicht mehr. Sie starb 1956 vermutlich an den Folgen einer Herzerkrankung. Josef starb 1967.

Für Änne und Josef wird im Herbst 2020 ein Stolperstein in Bochum verlegt.