Für den Tag des offenen Denkmals am 11.9. in Bochum – diesmal im ehemal. Zwangsarbeiterlager Bergener Strasse – haben wir eine PE vorbereitet. Sie hat folgenden Wortlaut:
„Wir, die Initiative Bergener Straße im Bündnis gegen Rechts, begrüßen es sehr, dass an diesem besonderen Tag das ehemalige Zwangsarbeiterlager für osteuropäische Zivilarbeiter der Zeche Constantin in der Bergener Straße die ihm gebührende Aufmerksamkeit erhält.
Nach fast zwei Jahren eingehender Recherche unsererseits und mehrfacher Eingaben im Kulturausschuss der Stadt Bochum, zuletzt zu der Notwendigkeit einer Gedenktafel vor Ort, hoffen wir, dass das seit 2003 eingetragene Denkmal zeitnah als würdiger Ort des Erinnerns, Lernens und Gedenkens sowie der historisch-politischen Bildung zur Zwangsarbeit im Ruhrbergbau zur Zeit des Nationalsozialismus saniert wird.
Dabei möchten wir betonen, dass über das Kommandantur-Gebäude hinaus auch die erhaltenen, unbewohnten massiven Aufbauten aus Ziegelstein sowie die zugeschütteten, unerforschten Splitterschutzgräben zu untersuchen und ggf. öffentlich zugänglich zu machen sind.
Hierzu ist es erforderlich, beherzt Geld in die Hand zu nehmen und Landes- und Bundesstiftungen wie auch die Ruhrkohle- und die Krupp-Stiftung anzusprechen. „Nicht kleckern, sondern klotzen“ muss hier die Devise sein, um auch auf der „dunklen Seite des Kohlebergbaus“ in kritischer Reflexion ein Denkmal zu setzen. Ein Leuchtturmprojekt der Erinnerungskultur, das weit über Bochum und die Region hinaus – wider das Vergessen – strahlt und Licht in das lähmende Dunkel der Vergangenheit bringt.
Wenn man die junge Generation begeistern und vor Ort pädagogische Arbeitsräume schaffen will, ist allerdings ein kleine Ausstellungsfläche wie die Kommandantur (ca. 45 qm) bei weitem nicht genug. Der ehemalige Bürgertreff würde sich in räumlicher Nähe zur Kommandantur als erste mögliche Ergänzung anbieten.
Über die Einrichtung eines Gedenkortes hinaus darf nicht vergessen werden, dass die BewohnerInnen der Siedlung, die über all die Jahrzehnte durch ihr eigenes Engagement und z.T unter großen finanziellen Entbehrungen die Gebäude wohnbar gemacht haben, einen Anspruch auf menschenwürdige Wohnverhältnisse haben, für die die Stadt als Vermieter Verantwortung trägt. Hier gilt es, kurzfristig weitere Schäden durch Leerstand wie z.B. Feuchtigkeit und Schimmel abzuwenden.
Die Zusage der Verwaltung gegenüber dem Kulturausschuss des Rates, die Gebäude winterfest zu machen (aus 2021), ist aber nach fast einem Jahr immer noch nicht eingelöst!
Nur wenn beide Bereiche des künftigen Gedenkortes gleichermaßen zur Zufriedenheit der BewohnerInnen wie auch der Öffentlichkeit gelöst werden, kann man von einem einvernehmlichen Miteinander in einem bewohnten Gedenkort ausgehen“.
Lager Bergener Straße soll Erinnerungsstätte werden. WAZ-Artikel vom 05. Juli 2022 beschreibt den aktuellen Stand des Vorhabens und die Spurensuchen nach Dokumenten
Susanne Wycisk hat für die Zeitschrift Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher den Artikel „Das Lager Bergener Straße – Ein vergessener Ort im Ruhrgebiet“ veröffentlicht. Die ersten Zeilen findet ihr hier:
Mehr als 80 Jahre nach dem Überfall auf Polen und die Sowjetunion durch das mörderische NS-Regime und die Wehrmacht gibt es immer noch blinde Flecken im Ruhrgebiet. So hat das Bündnis gegen Rechts Bochum bislang etwa 200 ehemalige Zwangsarbeiterlager im
Stadtgebiet unterschiedlicher Größe identifiziert, die in einer interaktiven Karte anzuschauen sind und derzeit mit Quellen und Hintergrundinformationen hinterlegt werden. Der Artikel als pdf
Wir dokumentieren den Textvorschlag für eine Gedenktafel am ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Bergener Straße, der in die Beschlussvorlage der Verwaltung aufgenommen ist. Die Umsetzung ist noch nicht erfolgt. [3 Seiten]
Am 25.6. bietet das Bündnis gegen Rechts in Koperation mit der VHS eine Fahrradtour an in der Bochumer Innenstadt. Bochum war Gauhauptstadt während des Faschismus, zahlreiche Gebäude aus dieser Zeit sind heute noch sichtbar. Einige davon sind bekannt und werden wieder genutzt, andere sind unbekannt oder werden übersehen. Diese Orte wollen wir aufsuchen und die jeweiligen politischen Hintergründe und Zusammenhänge aus der Zeit des Faschismus erfahren. Gestartet wird an den ehemal. „Pluto-Garagen“ am Nordring. Ein Ort, an dem unmittelbar nach dem Januar 1933 die SA ihre politischen Gegner (Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten) gefangen gehalten, verprügelt und gefoltert hat. Am Nordbahnhof gibt es Informationen über die Deportation der jüdischen Bevölkerung. Über den „Erich-Gottschalk-Platz“ an der Castroper Strasse geht es weiter zur „Krümmede“. Dort wird über die im Gefängnis festgehaltenen Männer des Widerstandes aus Frankreich, Belgien und Holland informiert. Das Thema Zwangsarbeit im Faschismus wird erläutert am sog. „Blumenfriedhof“ und an der letzten Station, am Werksgelände der damal. „Eisen- und Hüttenwerke“ (heute Thyssen-Krupp-Steel) an der Harpener Strasse. Die Informationen und Erläuterungen an diesen Stationen wiederspiegeln die Unterdrückungspolitik der NS-Diktatur : Verfolgung und Vernichtung des politischen Gegeners, Deportation der jüdischen Bevölkerung, Zwangsarbeit, aber auch den Widerstand gegen diese Politik.
Treffpunkt ist der Nordring/Ecke Uhlandstrasse, geplant sind 2 Stunden von 11.00 bis 13.00.
Anmeldung ist erforderlich über die VHS unter der Kursnummer 12008.
Das Bündnis gegen Rechts hat in diesem Jahr eine Patenschaft für Alfred Jurke übernommen. Alfred Jurke war Mitglied der Konsumgenossenschaft Wohlfahrt an der Königsallee 178 (heute GData), dort als Bäcker tätig, ab 1923 Mitglied der KPD, gewerkschaftlich aktiv und bis 1933 auch Betriebsratsmitglied. Nach dem Verbot der Gewerkschaften und der KPD war er im Widerstand gegen den Faschismus aktiv. In der Widerstandsgruppe der Konsumgenossenschaft wurden „illegal“ Zeitungen und Flugblätter gedruckt und verteilt. Für die „Rote Hilfe“ wurde Geld gesammelt. Diese Spenden gingen an die Familien von verhafteten oder geflüchteten Genossen und waren ein Beitrag zur Existenzsicherung für die Frauen und Kinder. 1936 wurde diese Widerstandsgruppe von der Gestapo entdeckt und ihre Mitglieder verhaftet. Alfred Jurke konnte rechtzeitig nach Holland flüchten. In Abwesenheit wurde er vom Volksgerichtshof wegen „Hochverrat“ in Abwesenheit zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. In Holland setzte er mit anderen seine antifaschistische Tätigkeit fort. Es wurden nun vor allem Flugblätter und Zeitungen hergestellt und nach Deutschland gebracht. Aus der Recherche über das Leben und die politische Tätigkeit von Franz Vogt im Exil wissen wir, dass die vor der Hitler-Diktatur Geflüchteten in sehr bescheidenen materiellen Verhältnissen leben mussten. Der Transport von Flugblättern und Zeitungen in das damalige Deutsche Reich war gefährlich und immer mit dem Risiko der Entdeckung und Verhaftung verbunden. Die damalige Reichsregierung versuchte Druck auf die holländische Regierung auszuüben, die politischen Aktivitäten der Geflüchteten zu verbieten oder einzuschränken. Alfred Jurkes politisches Ziel im Exil war die „Einheitsfront“, d.h. die Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Kommunisten. Dafür setze er sich ein. Was vor 1933 in der Weimarer Republik nicht gelungen war, sollte jetzt im Exil gelingen. Ein fast utopisches Ziel, aber begründbar und berechtigt war es allemal. Das Ende seiner politischen Arbeit kam mit dem Überfall der Wehrmacht auf Holland. Am 27.Mai 1940 wurde er verhaftet und später in die Untersuchungshaftanstalt Alt-Moabit verlegt. Am 8.Mai 1942 erhob der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof Anklage gegen Alfred Jurke. Die Anklage lautete „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ mit dem Ziel „mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern“. Der Volksgerichtshof sprach aufgrund dieser Anklage ein Todesurteil aus und Alfred Jurke wurde am 3.Oktober 1942 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Ca. 2900 Frauen und Männer wurden dort zwischen 1933 und 1945 hingerichtet wegen ihrer weltanschaulichen Ansichten oder ihres Widerstandes gegen die Hitler-Diktatur. Die damals eingesetzten Methoden waren von unbeschreiblicher Brutalität : Fallbeil, Erhängen und das Aufhängen an Fleischerhaken, waren die Mittel, mit denen die GegnerInnen der Diktatur ermordet wurden. Das „Ehrenbuch der Opfer von Berlin-Plötzensee“ dokumentiert die Namen von 1574 Frauen und Männern, u.a. auch den von Alfred Jurke. Alfred Jurke war in seiner Einstellung konsequent, hat bis 1936 in Deutschland im Widerstand gegen den Faschismus gestanden und diesen auch nach seiner Flucht nach Holland von dort forgesetzt. Im Gebäude der ehemaligen Konsumgenossenschaft „Wohlfahrt“ hängt heute eine Gedenktafel mit folgender Inschrift:
„Für Recht und Freiheit liessen ihr Leben Alfred Jurke und Walter Stern. Sie starben durch nationalsozialistischen Terror. Ihre Gesinnung ist unser Erbe. Belegschaft der Konsumgenossenschaft Bochum“. Wann genau und durch wen veranlasst diese Gedenktafel angebracht wurde, ist heute nicht mehr recherchierbar. Die Verlegung des Stolpersteins kann in diesem Jahr wegen Bauarbeiten auf der Königsallee nicht vorgenommen werden. Die Firma GData macht aber ein Treffen möglich, nämlich in dem Gebäude, in dem die Gedenktafel hängt (Königsallee 178). Dort werden am Dienstag 14.Juni 2022 um 13.00 die Rechercheergebnisse für Alfred Jurke (und Walter Stern) vorgestellt.